JAMES erhärtet die Wichtigkeit
von Medienerziehung
Die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften veröffentlicht alle zwei Jahre die Jugend-Aktivitäten-Medien-Erhebung-Schweiz (JAMES). Die repräsentative Studie 2024 befragte Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren. Demnach haben seit 2016 gleichbleibend 99 % der Jugendlichen Zugriff zu Internet, Handy oder PC, und sie pflegen meistens einen reflektierten Umgang mit den digitalen Medien. Allerdings hat sich die durchschnittliche, tägliche Internet-Nutzung der Jugendlichen seit 2014 von zwei Stunden auf knapp über drei Stunden erhöht, am Wochenende sind es gar vier Stunden pro Tag. Die meiste Zeit sind sie auf den sozialen Netzwerken aktiv, die Mädchen mehr als die Jungen. Am häufigsten genutzt wird nach wie vor « Instagram » gefolgt von « TikTok », das seit 2018 von 8 % auf 69 % Nutzungsquote angestiegen ist. « Facebook » ist bei den Jugendlichen auf 5 % Anteil abgestürzt. Es scheint heute nurmehr das Netzwerk der Grosseltern und Eltern zu sein. « WhatsApp » ist der beliebteste Messenger Dienst. Enorm zugelegt haben KI-Tools. So benutzten 2024 71 % der Jugendlichen « ChatGPT » oder andere KI-Angebote, 34 % nutzten sie mindestens wöchentlich. Das erstaunt, denn Chatbots traten erst Ende 2022 « öffentlich » auf. Wohl noch nie hat sich eine Technologie derart rasch in das Alltagsleben integriert wie Künstliche Intelligenz.
Trotz vielzeitigem Aufenthalt in virtuellen Räumen trafen 70 % der Jugendlichen täglich oder mehrmals pro Woche Freundinnen und Freunde real. Dieser Wert reduzierte sich aber stark, denn 2010 lag er noch bei 81 %. Freizeitsport treiben nach wie vor zwei Drittel und das Nichtstun (Chillen) ist nur leicht angestiegen. Neben Sport sind auch Musik hören, Gamen und, etwas weniger prominent, Lesen häufigst genannte Aktivitäten. Seit 2012 ist « Harry Potter » das Lieblingsbuch. Acht von zehn Jugendlichen gamen hin und wieder, 2024 meistens mit « Brawl Stars » (einzeln oder in Gruppen spielbar gilt es, andere Spieler zu töten) und « Fortnite » (kreativ Welten schaffen und als Letzter überleben). Das sind hoch komplexe und sehr variable, virtuelle Spielplattformen. Unter anderen wurden sie von der deutschen Stiftung Warentest als inakzeptabel eingestuft wegen unausreichender Schutzfunktion für Jugendliche, mangelnder Moderation von problematischen Kommentaren, keiner Transparenz über die realen Kosten der In-App-Käufe.
Aufhorchen lässt auch, dass ein Viertel der Befragten im digitalen Raum schon mehrmals beschimpft oder beleidigt wurde. Wobei Mädchen deutlich öfters sexueller Belästigung ausgesetzt waren als Jungen. Obwohl die meisten Jugendlichen noch nie Cybermobbing erfahren haben, kann es für die Betroffenen gravierende Folgen haben, bis hin zum Suizid.
Was sagt uns die Studie ? – Intensive Mediennutzung gehört seit Jahren zum normalen Alltag der Jugendlichen – mit allen Möglichkeiten der Medien als Arbeitsinstrument, Kommunikationsmittel, Wissens- und Datenquelle, Unterhaltung, Zeitvertreib, Selbstdarstellung, Verführung, Manipulator, Krankmacher, Fake usw. Andererseits sind die Jugendlichen im Allgemeinen nicht in der virtuellen Welt verlorengegangen. Ebenso korrekt ist hingegen : Die in den Plattformen wirkenden Algorithmen analysieren und steuern das Verhalten der Jugendlichen in der virtuellen Welt. Sie prägen so die Lebenswelt der Jugendlichen mit. Ob ihnen das zum Guten oder Schlechten gereicht, hängt weitgehend von ihrer Medienkompetenz ab, davon also inwieweit sie die elektronischen Medien verstehen und bewusst nutzen können. Dazu gehört insbesondere auch die Fähigkeit, Informationen kritisch hinterfragen und auf Richtigkeit überprüfen zu können. Solche Kompetenzen erwachsen einem nicht von selbst; Verführung durch Falschinformation aber schon. Dieses Problem wird durch die rasante Entwicklung und den umfassenden Einsatz von KI verstärkt. Denn sie begegnet dem Nutzer in der Interaktion wie ein Lebewesen. Das ist komplett neu und hat das Potenzial, das Leben schon im Jugendalter zu beeinflussen.
Die Kardinalfrage ist, ob elektronische Medien und insbesondere KI dem Menschen assistieren oder umgekehrt. Eltern sind deshalb auch in der Verantwortung, dafür einzustehen, dass an den Schulen Medienerziehung ernsthaft betrieben wird, und zwar altersentsprechend schon in frühen Schuljahren beginnend. Auch wenn die Studie wegen der schon hohen Nutzungsrate elektronischer Medien eine gewisse Sättigungstendenz feststellt und psychische Schädigungen Jugendlicher durch Medienkonsum wissenschaftlich bis jetzt nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, bleibt Medienerziehung unabdingbar. Um die Jugendlichen im Umgang mit den neuen Technologien anzuleiten und zu begleiten, brauchen Eltern wie auch alle Lehrpersonen Wissen über ihre Funktionsweise und Wirkungen. Entsprechende Lehrerbildung und Elternkooperation bleibt deshalb eine wichtige Aufgabe der Rudolf Steiner Schulen. Dazu gehört auch Vertrauen schaffen, damit sich Gemobbte in ihrer Not Lehrpersonen anzuvertrauen wagen. Einfach Handy-Regeln für Schule und Pausenplatz verordnen, genügt bei weitem nicht mehr.
Quellen
- Külling-Knecht, C., Waller, G., Willemse, I., Deda-Bröchin, S., Suter, L., Streule, P., Settegrana, N., Jochim, M., Bernath, J., & Süss, D. (2024). JAMES – Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz. Zürich : Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
- https ://www.zhaw.ch/storage/psychologie/upload/forschung/medienpsychologie/james/2018/JAMES_2024_DE.pdf (aufgerufen 04.01.2025)
- https ://www.lmz-bw.de/stiftung-warentest-stuft-15-spiele-apps-als-inakzeptabel-fuer-kinder-ein# :~ :text=Wer%20Kinder%20im%20Smartphone%2Df%C3%A4higen,Spiele%20als%20%E2%80%9Einakzeptabel%E2%80%9C%20eingestuft. (aufgerufen 05.01.2025)
- Medienlehrplan der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz https ://steinerschule.ch/wp-content/uploads/2020/09/Rudolf-Steiner-Schule-Lehrplan-Digitale-Medien_DE_Webfassung.pdf (aufgerufen 04.01.2025)
- SCHULKREIS, Frühjahr 2023 « Maschinengeplapper in Hochform – ein Selbstversuch »